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Barrierefrei reisen

wird in immer mehr gesellschaftlichen Zusammenhängen umgesetzt: Ob im Internet, in der Arbeitswelt oder seit ein paar Jahren auch intensiver beim Reisen. Anfang März hat die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT) in Kooperation mit „Tourismus für Alle Deutschland e.V.“

NatKo zum siebten Mal den „Tag des barrierefreien Tourismus“ organisiert. Er fand im Rahmen der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin statt und hatte in diesem Jahr den Fokus auf dem Thema „Barrierefreier Aktivurlaub / Barrierefreiheit im ländlichen Raum“. Auf dem Deutschen Seniorentag vom 28. bis 30. Mai in Dortmund zeigt die „Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele in Deutschland“ wie bunt und vielfältig barrierefreies Reisen zwischen Alpen und Nordsee längst ist.

Reisen für Alle
Die Bundesregierung setzt sich für barrierefreie Angebote in allen Bereichen des Tourismus ein und wünscht sich, dass Barrierefreiheit zum Markenzeichen des Tourismus in Deutschland wird. „Das Engagement des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) für barrierefreien Tourismus verbindet die bundespolitischen Interessen der Tourismusförderung mit gesellschaftspolitischen Zielen“, heißt es auf der Internetseite des Ministeriums. Um bundesweit eine verlässliche Information zu dem Thema zu etablieren, fördert das BMWi die Einführung eines einheitlichen Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystems, das den Namen „Reisen für Alle“ trägt. Dazu gehört auch eine Datenbank, in der barrierefreie touristische Angebote erfasst und bewertet werden können. Das Projekt „Reisen für Alle“ baut auf einem Förderprojekt des BMWi auf, mit dem in enger Abstimmung mit Behindertenverbänden, der Tourismuswirtschaft und den 16 Bundesländern die Standards für das einheitliche Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystem für barrierefreie Reiseangebote entwickelt wurden.

Die NatKo
Tourismus für Alle Deutschland e.V. (NatKo) ist ein Zusammenschluss von bundesweit tätigen Verbänden der Behindertenselbsthilfe, der sich seit 1999 für einen barrierefreien Tourismus in Deutschland einsetzt. Der Verein versteht sich als Schnittstelle zwischen der Behindertenselbsthilfe, der Politik und der deutschen Tourismuswirtschaft. Die NatKo hat das Ziel, dass „touristische Angebote so entwickelt werden, dass sie sowohl für Menschen mit einer Beeinträchtigung als auch für Senioren, Kinder oder beispielsweise Familien mit Kinderwagen zugänglich und nutzbar sind“, schreibt der Verein auf seiner Internetseite.

Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele
In der Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele in Deutschland haben sich seit 2008 zehn deutsche Urlaubsregionen und Städte zusammengeschlossen. Zu den Mitgliedern gehören die Regionen Eifel, Ostfriesland, Sächsische Schweiz, Südliche Weinstraße, das Fränkische, Lausitzer und Ruppiner Seenland, außerdem die Städte Erfurt, Magdeburg und Rostock. „Im Januar aber haben wir die Südliche Weinstraße als neues Mitglied aufgenommen“, freut sich Dr. Carmen Hildebrandt, Sprecherin der AG und Geschäftsführerin der Erfurt Tourismus und Marketing GmbH. „Wir freuen uns sehr über den Neuzugang. Denn die Urlaubsregion im Süden von Rheinland-Pfalz bereichert unser Portfolio um eine sonnenverwöhnte Destination und um barrierefreie Weinfeste.“

Durch die Kooperation mit der Deutschen Bahn AG entstanden individuelle Mobilitätspakete bzw. Reiseangebote, welche auf die Wünsche und Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Urlauber abgestimmt sind. „Unser Ziel ist es, die Reisemöglichkeiten in den Regionen und in Deutschland für Menschen mit Behinderungen kontinuierlich zu erweitern und deren Sichtbarkeit zu erhöhen“, sagt Dr. Carmen Hildebrandt. „Außerdem liegt uns der regelmäßige Erfahrungsaustausch der Mitglieder am Herzen, um Potentiale zu erkennen und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft war auch der Aufbau eines Netzwerkes  zu barrierefreien Reisezielen in Deutschland verbunden, das nun bereits seit zehn Jahren erfolgreich die Erfahrungen und Angebote unterschiedlicher Regionen und Städte im barrierefreien Tourismus bündelt.“ Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Hör- und Seheinschränkungen, Lernbehinderung, Gehörlose und Blinde, aber auch Senioren und Familien profitieren von Barrierefreiheit. Darum werben immer mehr Urlaubsziele mit ihrer Barrierefreiheit. Selbstverständlich ist es aber noch lange nicht und Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, müssen nach wie vor sehr gezielt ihren Urlaubsort auswählen. „Die gesellschaftlichen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts zwingen jeden von uns zum Umdenken“, mahnt Dr. Carmen Hildebrandt. „Wir wünschen uns, dass es im Tourismus selbstverständlich wird, an Menschen mit Behinderungen, Senioren und Familien mit kleinen Kindern zu denken, eben an ‚Reisen für Alle‘.“

Dies ist eine Auswahl von Internetangeboten, die Informationen rund ums barrierefreie Reisen anbieten:
www.barrierefreie-reiseziele.de
www.germany.travel
www.bahn.de/reiseziele-barrierefrei
www.myhandicap.de
www.reisen-fuer-alle.de
www.natko.de

Deutsche Geschichte barrierefrei erleben – eine Auswahl der Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele in Deutschland
Viele besonders spannende Orte der Geschichte sind für Menschen mit Behinderungen – oder Kinderwagen – nicht oder nur begrenzt erfahrbar. Nicht überall gelingt der Spagat zwischen Inklusion und Denkmalschutz. Aber es gibt besonders interessante Museen und Attraktionen in der Bundesrepublik, die sich erfolgreich und kreativ für kulturelle Teilhabe engagieren. Hier wird Geschichte zum Erlebnis für alle.

Fränkisches Seenland: 2.000 Jahre römische Geschichte
Als der Weißenburger Lehrer Erich Kreißl im Jahr 1979 zu seinem Spaten greift, um ein Spargelbeet in seinem Garten zu erweitern, staunt er nicht schlecht. In etwa 40 Zentimeter Tiefe stößt er auf Metallteile, Statuen und Bronzegefäße. Der sensationelle Fund entpuppt sich als größter römischer Schatz in Deutschland.

114 Objekte aus dem Spargelbeet, darunter 17 in Qualität und Zustand einzigartige Götterfiguren, sind heute im Römermuseum in Weißenburg im Fränkischen Seenland zu sehen. Hier wird die Geschichte der Römer in Deutschland erzählt. Vor etwa 2.000 Jahren besetzten sie die Region südlich von Nürnberg und errichteten eine monumentale Grenzanlage.

Der Limes ist heute UNESCO-Welterbe und das größte Bodendenkmal Europas. Für Rollstuhlfahrer, Blinde und Hörgeschädigte bieten geschulte Museumsmitarbeiter spezielle Führungen an. Am Stadtrand der Römerstadt Weißenburg steht ein weiteres Zeugnis antiker Kultur: die barrierefrei zugänglichen Römischen Thermen, die einen Einblick in die Badekultur der Antike geben.

Magdeburg: 1.000 Jahre Otto
Wer nach Magdeburg fährt, kommt an Otto nicht vorbei. Gleich zwei Ottos machten die über 1.200 Jahre alte Stadt an der Elbe berühmt: Otto der Große, der erste römisch-deutsche Kaiser, erhob Magdeburg im 10. Jahrhundert zum europäischen Machtzentrum. Der andere, Otto von Guericke, war im 17. Jahrhundert Bürgermeister der Stadt und bekannt für seine Experimente zum Luftdruck mit den Magdeburger Halbkugeln. Im barrierefreien Kulturhistorischen Museum ist unter anderem der berühmte Magdeburger Reiter zu sehen. Es ist eine der bedeutendsten Skulpturen der europäischen Gotik des 13. Jahrhunderts und zeigt wohl Kaiser Otto im Idealtypus eines jugendlichen stauffischen Herrschers. Im Dom „St. Mauritius und St. Katharina“, der für Rollstuhlfahrer ebenerdig zugänglich ist, ist die originale Grablege Kaiser Ottos und seiner ersten Gemahlin Editha zu besichtigen. Für Blinde gibt es vor dem Dom ein tastbares Relief. Der tägliche Stadtrundgang, der die wichtigsten historischen Gebäude verbindet, ist für Rollifahrer barrierefrei. Aber auch Blinde, Seh- und Hörbehinderte, Gehörlose sowie Gäste mit Lernschwierigkeiten können eine spezielle Stadtführung buchen.

Rostock: 800 Jahre hanseatisches Flair
Wenn im August 2018 zur „Hanse Sail“ wieder 200 Traditionssegelschiffe anlegen, verwandelt sich Rostock in eine alte Seefahrerstadt. Piraten durchstreifen den Stadthafen, an den Marktständen können internationale Speisen probiert werden. Es ist auch das Jahr des 800. Geburtstages der Hansestadt. Das feiert das Kulturhistorische Museum mit der Jubiläumsausstellung „Rostock. Jetzt 800“ ab 14. Juni 2018. Das Museum befindet sich in den Räumen des Klosters zum Heiligen Kreuz und zeigt in seiner Dauerausstellung eine umfangreiche kunst- und kulturgeschichtliche Sammlung. Für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Gehbehinderungen sind alle Etagen gut zugänglich. Mobile Stühle können ausgeliehen und als Gehhilfe oder Sitzgelegenheit genutzt werden. Für Blinde bietet das Museum eine taktile Tafel mit dem Grundriss sowie Informationen in taktilem Großdruck und in Brailleschrift.

Ruppiner Seenland: 400 Jahre preußische Geschichte
Idyllisch am Grienericksee liegt das Schloss Rheinsberg im Ruppiner Seenland. Hier verbrachte der Preußenkönig Friedrich der Große die „glücklichste Zeit“ seines Lebens, wie er später sagte. Im Jahr 1734, als er noch Kronprinz war, schenkte ihm sein Vater die stattliche Anlage. Er ließ Fenster vergrößern, Wendeltreppen erweitern, Malereien, Stuck und Pomp anbringen. Der damals moderne Stil in Rheinsberg war später Vorbild für Schloss Sanssouci in Potsdam. Mit Dichtern, Musikern und Malern feierte Friedrich hier rauschende Feste. Auch fast 200 Jahre später hatte Rheinsberg nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Der Schriftsteller Kurt Tucholsky würdigte den Ort mit seinem Buch „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“. Das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum im Schloss erinnert daran. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Sehbehinderungen und geistigen Einschränkungen bietet Schloss Rheinsberg nach vorheriger Absprache spezielle Führungen an. Auch der großräumige Park ist durch ebene Wege im Rollstuhl gut befahrbar.

Lausitzer Seenland: 150 Jahre Bergbauindustrie
Eine weit jüngere Geschichte hat das Lausitzer Seenland zu erzählen: 150 Jahre Bergbau. Über zwei Milliarden Tonnen Braunkohle holten Bergbauarbeiter in der Region aus bis zu 60 Metern Tiefe. Durch Flutung der ehemaligen Tagebaue entstand und entsteht Europas größte künstliche Seenlandschaft. Heute bieten zahlreiche teils noch aktive Originalschauplätze einen Einblick in die Geschichte der Energiegewinnung.

Im Besucherbergwerk F60, einer gigantischen Förderbrücke, können Gäste mit leichten Gehbeschwerden und Rollstuhlfahrer mit Begleitung an einer Kurzführung um das 11.000 Tonnen schwere Baggerfahrwerk teilnehmen. Für blinde Menschen gibt es Führungen mit Ausstellungsobjekten, die ertastet werden können. Auch in der ehemaligen Brikettfabrik Knappenrode können sich Menschen mit Handicap auf Streifzug durch die Geschichte des Lausitzer Bergbaus begeben. Geschulte Gästeführer bieten spezielle Rundgänge an.

Erfurt: Über 25 Jahre Friedliche Revolution und 20 Jahre Entdeckung des Erfurter Schatzes
In Erfurt tauchen Besucher nicht weit vom Domplatz entfernt in die jüngste Vergangenheit ein. In der Andreasstraße liegt die gleichnamige Gedenk- und Bildungsstätte, die an die politischen Häftlinge der DDR erinnert und an die mutigen Menschen, die 1989 die erste Besetzung einer Stasi-Bezirksverwaltung wagten. Die umfassende Dauerausstellung zur SED-Diktatur auf verschiedenen Etagen ist durch einen Fahrstuhl auch für Menschen im Rollstuhl zugänglich. Ein neuer Lift bringt sie in die Freihofzellen mit ihren drei Meter hohen Mauern und Wachgängen. Hörgeräteträger können einen Audioguide nutzen. 500 Meter von der Gedenkstätte entfernt liegt die Alte Synagoge. Sie erzählt die Geschichte des mittelalterlichen jüdischen Lebens in Erfurt und zeigt den Erfurter Schatz mit seltenen Objekten aus dem 13. und 14. Jahrhundert, darunter Silbermünzen und Silbergeschirr. Auch hier macht ein Aufzug den Zugang für Rollstuhlfahrer möglich. Der Besucher wird mit einem Videoguide durch das Haus geführt, der über eine Hörschleife auch für Hörgeschädigte nutzbar ist. Blinde Menschen können eine Tastführung über die Museumspädagogik des Hauses buchen.

S. Rosbiegal © SeMa

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