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Dein Müll? Mein Müll!

Hamburg räumt auf

Mitte September war es wieder so weit: Stadtreinigung und Umweltbehörde luden zum traditionellen Stadtputz „Hamburg räumt auf“. Ausgestattet mit Handschuhen und klimaneutral produzierten Sammelsäcken, streiften mehr als 40.000 Müllaktivisten allein, als Familie, mit Nachbarn, Kollegen, Freunden oder in Aktionsgruppen durch Stadt und Natur, um einzusammeln, womit rücksichtslose Zeitgenossen tagtäglich unsere Umwelt verschandeln. Neben attraktiven Preisen und dem Gefühl, gemeinsam etwas Gutes zu tun, winkte als Hauptgewinn eine saubere und noch schönere Stadt.

Unter der Pandemie haben Grünflächen und öffentliche Plätze arg gelitten. „Denn für viele ist die Stadt wegen der Reisebeschränkungen zum zweiten Wohnzimmer geworden. Leider wird dieses nicht immer so pfleglich behandelt wie das daheim“, so Umweltsenator Jens Kerstan, der die Stadtputzaktion im Isebekpark startete.

Abgesehen von einer einzigen, wahrscheinlich von frustrierten Krähen geplünderten Mülltonne, zeigt sich der Stadtpark am frühen Morgen des ersten Aktionssonntages vorbildlich sauber. Doch Spaziergänger Peter Meyer bremst aufkommende Begeisterung. „Gestern war ja auch schlechtes Wetter. Aber wenn hier bis in die Nacht gefeiert und gegrillt worden wäre, hätte das heute morgen schon wieder ausgesehen wie in einem Saustall“, so Meyer zornig. „Was bilden sich die Leute eigentlich ein, die ihren Müll einfach so liegenlassen? Dass nach ihnen Mutti kommt und hinter ihnen herräumt?“

Auf den öffentlichen Grünflächen wird Grillen immer mehr zum Müllen. Schleppte man früher Becher, Schüsseln und Dosen zum Abwasch wieder brav nach Hause, kommen heutzutage viele mit einer Wagenladung Einwegverpacktem vom Supermarkt direkt in den Park, wo der klebrige und fetttriefende Abfall dann auch bleiben soll. Das von Müllsündern gern benutzte Argument, dass es zu wenig Mülleimer gibt, zieht wenig. Mit neuen Papierkörben und Müllcontainern hat die Stadt mächtig nachgerüstet. Rund um die Wiesen stehen im Stadtpark die Tonnen für Abfall und Grillkohle dicht an dicht. Doch dicht ist natürlich immer relativ, und schuld sind ja sowieso immer die anderen.

Gegen die Vermüllung von Grünanlagen und Parks ist die Stadtreinigung unermüdlich im Einsatz. Über eine Sommerrufbereitschaft werden an den Wochenenden bis zu 300 Kräfte mobilisiert. Bei beobachteten Sauberkeitsverstößen leiten eingesetzte „Waste Watcher“ Ordnungswidrigkeitsverfahren ein. „Kümmerer“ sammeln herumliegenden Abfall und versuchen, in Gesprächen für das Müllproblem zu sensibilisieren. Ein Kampf wie gegen Windmühlen, den wir alle bezahlen. Denn trotz Stadtteil- und Quartiersprojekten, Umwelterziehung und Informationskampagnen scheinen viele gegen die Schaffung eines Problembewusstseins immun. Hamburger Grünanlagen vermüllen.

Für Elisabeth Walten, 62, ist fast jeder Tag ein Stadtputztag. Am Anfang war es ihr peinlich, den Müll anderer Leute aufzuheben. „Doch nicht ich, sondern, die, die ihren Dreck einfach in die Natur werfen, sollten sich was schämen“, sagt sie inzwischen selbstbewusst und klappert mit ihrer Müllgreifzange. Am meisten ärgert sie sich über die herumliegenden Masken. Nach den Gassibeuteln die zweite Müllwelle, wie sie sagt. Auf ihren Müllsammelspaziergängen erhält sie oft Zustimmung, doch manche schauen auch wie ertappt zur Seite. Elisabeth denkt sich ihren Teil dabei. Manchmal sammelt sie mit Freundinnen. Gemeinsam sind sie stark. „Wenn wir dabei jemanden beobachten würden, der seinen Müll einfach wegwirft, würden wir ihn mit unseren Müllzangen durch die Anlage jagen“, sagt sie kampfeslustig.

Nach nur einer halben Stunde kann sich auch meine Müllausbeute sehen lassen! Eine Mikrowelle am Wegesrand melde ich der Müll-Hotline „Saubere Stadt“ (Telefon 25 76 11 11). „Asche in mein Haupt“, fordert der fast leere Mülleimer am Wegesrand. Die flotten Aktionssprüche auf den Mülltonnen scheinen zu motivieren. Zumindest Graffiti-Sprayer, Schmierfinken und Allesbekritzler, die nahezu jeden der städtischen „Sauberkeitsbotschafter“ verschandelt haben. Mit einer weiteren Korbladung erreiche ich den nächsten Mülleimer: „Man muss die Reste feiern, wie sie fallen.“ In diesem Sinne: „Hummel. Hummel. Müll. Müll.“

 

Gisela Walitzek

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